Die Münchner Residenz: Eine Lektion in bayerischer Geschichte
Bei einer Führung durch die Münchner Residenz der bayerischen Herrscher erhielten 25 aktuelle und ehemalige DAAD-Geförderte einen anschaulichen Einblick in fast 500 Jahre Landesgeschichte.
Unsere Führung war chronologisch angelegt und begann beim Modell der Residenz, das uns die erstaunlichen Dimensionen des verwinkelten Komplexes anschaulich vor Augen führte. Für ein kleines Land wie Bayern, regiert von einer nur regional bedeutenden Dynastie, den Wittelsbachern, ist die Residenz eine sehr große Anlage – das größte Stadtschloss Deutschlands.
Im Lauf der Jahrhunderte wurde aus der Münchner Residenz,1508 bis 1918 Wohn- und Regierungssitz der bayerischen Herzöge, Kurfürsten und Könige, ein ansehnlicher Komplex, dessen Höfe und Gärten sich in die Stadt hinein ausbreiteten. Immer wieder wurden neue Bereiche angebaut, denn es war genügend Platz vorhanden. Seit gut hundert Jahren ist die Residenz als Museum öffentlich zugänglich und ist heute eines der größten Schlossmuseen in Europa.
Statt die vorhandenen Bauten umzugestalten und zu renovieren, wurden in jeder Epoche weitere Gebäudebestandteile und Höfe, neue, nach dem aktuellen Geschmack prunkvoll gestaltete Räume und neue Kunstwerke hinzugefügt, von der Renaissance, dem Frühbarock und Rokoko bis hin zum Klassizismus. Die Wittelsbacher demonstrierten so immer wieder aufs Neue ihren politischen Anspruch und ihren vor allem an italienischen und französischen Vorbildern orientierten Kunstsinn. Die Architektur und Ausgestaltung der Räume lernten wir auch als materiellen Ausdruck der politischen Entwicklung Bayerns verstehen.
Ein Highlight reihte sich ans nächste: Die Ahnengalerie diente dazu, Freund und Feind durch den illustren Stammbaum und die Familienbeziehungen in höchste Häuser zu beeindrucken. Wir bekamen die Prunksäle, die Ostasiensammlung, die Schatzkammer, die Nibelungensäle König Ludwigs II vorgestellt. In der (nicht mehr religiös genutzten) Hofkapelle, die manche von uns von Konzerten mit dem DAAD-Alumnus und Meisterviolinisten Paolo Tagliamento kennen, wurde gerade auf Geheiß des bayerischen Ministerpräsidenten dem verstorbenen „Fußballgott“ Franz Beckenbauer gehuldigt, was uns etwas befremdete.
Besonders faszinierend fanden wir das Antiquarium, den ältesten weitgehend erhaltenen Raum der Residenz. Mit 66 Metern Länge ist dies einer der größten und prächtigsten Renaissancesäle nördlich der Alpen. Im 16. Jahrhundert von Herzog Albrecht V. für seine Sammlung antiker Skulpturen errichtet und später mit immer wieder neuen Details ausgestattet, diente es seinen Nachfolgern als Bankettsaal. Wie wir etwas amüsiert erfuhren, wurden die in der Küche am anderen Ende des Saales zubereiteten Speisen zeremoniös am Spalier der höfischen Zaungäste entlang zum erhöhten Podest getragen, wo gespeist wurde. Nicht nur durch architektonische und künstlerische, sondern auch durch kulinarische Prachtentfaltung, wertvollstes Geschirr und erstaunliche Tischdekorationen verfolgten die Herrscher das Prinzip des „Shock-and-awe“.
So prunkvoll das Leben am Hof war, so konnten wir uns doch überzeugen, dass es ausgeprägte Schattenseiten hatte: eine extrem eingeschränkte Privatsphäre, und im Winter ein sehr ungemütliches Raumklima in den großen hohen Räumen.
Im 2. Weltkrieg wurde die Residenz fast völlig zerstört. Kunstwerke und Mobiliar waren rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden. Die Gebäude wurden seit dem Krieg wieder weitestgehend originalgetreu rekonstruiert, die Gelbe Treppe, die uns zu den Gemächern König Ludwigs I. führte, erst 2021.
Weil das berühmte Cuvilliés-Theater wegen einer Veranstaltung nicht zugänglich war, vertagten wir dessen Besuch auf ein andermal. Der Architekt Francois Cuvilliés d. Ä. hat auch einige Wohnräume gestaltet, anhand derer wir die Charakteristika des Rokoko studierten. Die RG München plant außerdem, wiedermal eine Aufführung in diesem bedeutenden Hoftheater zu besuchen, das unter anderem die Premiere von Mozarts Idomeneo erlebte.
So viel wir in gut drei Stunden gelernt und gesehen haben, so haben wir die Schätze der Residenz mit ihren über 150 Schauräumen keineswegs erschöpft und kommen sicher wieder.
Mark Hovsepyan und Sibylle Wahl
DAAD-Freundeskreis Regionalgruppe München
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